(Aktualisiert März 2025)

„Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen

Und schrieen sich zu ihre Erfahrungen

Wie man schneller sägen konnte, und fuhren

Mit Krachen in die Tiefe, und die ihnen zusahen

Schüttelten die Köpfe beim Sägen und

sägten weiter.“

Bertold Brecht, 1898-1956

Die Antwort auf die Überschrift lautet: Nein!

Aber ich brauche die Welt, sie ist mein Ein und Alles, meine Existenzgrundlage. Eine alternative Zukunft auf dem Mars ist für die Menschheit bislang nur Science fiction verschrobener NERD’s.

Damit könnte dieses Kapitel abgeschlossen sein. Ich stelle mit Erstaunen fest, dass mein Handeln Auswirkungen auf die Umwelt hat: Außerordentliche und in keiner Weise positiv. Ich bin doch aber die Krone der Schöpfung? Hat nicht einer meiner Vorfahren den Mythos verbreitet, dass ich mir die Erde untertan machen soll?

Die bittere Wahrheit ist: Ich bin nicht Schöpfer, ich ein Mitgeschöpf.

Es stellt sich die Frage: Wem gehört die Welt? Oder gehört Allen alles gemeinsam?Manche Besitztümer sind vorbildlich gepflegt: Mein Vorgarten. Andere hingegen werden von allen benutzt und verwahrlosen: Autobahntoiletten .

Dafür gibt es eine wissenschaftliche Theorie: Die Tragik der Allmende. (Tragik der Allmende). Die Umwelt, die allen gehört – in dem Fall die Gemeindewiese – wird hemmungslos ausgebeutet. Weder an die Nachbarn noch an folgende Generationen wird gedacht. Ich verbrenne zum Beispiel fossile Brennstoffe und kümmere mich nicht um das Problem des steigenden CO2. Ich schürfe in immer größeren Tiefen nach Edelmetallen und seltenen Rohstoffen und hinterlasse verwüstete Landschaften. Ich sprenge ganze Berge und verwandle das Angesicht der Welt (Mountaintop Removal Mining).

Die Zerstörung des tropischen Regenwaldes hat 2024 einen neuen traurigen Rekord erreicht (World Resources Institute, 2025).

Was soll ich essen und trinken?

Mein existentielles Problem ist: Ich selbst kann keine Photosynthese. Ich bin also angewiesen auf eine Nahrungskette, an deren Spitze ich mich sehe und die ich nach Kräften vergifte und damit letztlich mich selbst (Colborn, 1996) (Carson, 1963).

Ich tue es wie nebenbei, es ist keine Absicht, es passiert einfach. Ich bin ein Gärtner in einem Garten, der trotz meiner Bemühungen, ihn zu verwüsten, bislang unentwegt Früchte getragen hat. Aber die fruchtbare Zeit neigt sich dem Ende zu. Die Selbstheilungskräfte des Gartens – der Natur – sind enorm, aber nicht unbegrenzt. Die Zahl der Ernten, die ich dem Boden noch entnehmen kann, ist überschaubar. Sie ist endlich. Ich bin auf das Vorhandensein und die Qualität meines Ackerbodens angewiesen, so wie auf die Luft zum Atmen. Meine intensive Bearbeitung und nicht zuletzt der Klimawandel schädigen das Ökosystem Boden (Schwinn, 2019) (taz 05,2018). Ein eigenes, mir weitgehend unbekanntes System anorganischer und organischer Bestandteile sowie unzähliger Mikroorganismen (Herrmann, 2018).

Auch das maritime Ökosystem ist vor mir nicht sicher. Seine Funktion und komplexes Zusammenspiel habe ich ebenfalls noch nicht ansatzweise verstanden habe. Meine Schleppnetze fangen wahllos Wildtiere, von denen ich nur einen Teil verwerte, den Rest bezeichne ich als Beifang und werfe ihn acht- und respektlos über Bord. Die gewaltigen Tiefseeschleppnetze zerstören auf Jahrzehnte den Meeresboden, über den sie gezogen werden. Niemand kontrolliert mein zerstörerisches Tun. Wenn ich ein – frei käufliches – Siegel vorweise, dann bin ich nachhaltig und alle sind zufrieden (Seaspiracy.org). Die Überreste meiner Netze und Leinen entsorge ich im Meer. Sie machen einen bedeutenden Teil des Plastikmülls aus, der die Meerestiere bedroht.

Ich produziere ständig neue, fast unzerstörbare Chemikalien, die sich in der Nahrungskette anreichern. Diese Substanzen erreichen damit zwangsläufig auch mich, irgendwann. Sie sind allgegenwärtig in meiner Umwelt. Manche wirken als endokrine Disruptoren und beeinflussen die Organogenese. Endokrinologische Fachgesellschaften und die WHO sehen es als erwiesen an, dass diese Chemikalien zur Entstehung von hormonsensitiven Krebserkrankungen, metabolischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Unfruchtbarkeit und neuronalen Entwicklungsstörungen beitragen. Ozeane – so wie die Atmosphäre – sind die größten Bereiche meiner Welt, die ich zwar nicht direkt bewohne, aber trotzdem direkt und indirekt für ihre Bewohner unbewohnbar mache, letztlich damit auch für mich (Geomar, 2018).

Lebensräume gehen verloren, unwiederbringlich, also: Räume für das Leben – mein Leben und das Leben der Pflanzen und Tiere um mich herum. So wie der Raum sich verändert, von mir verändert wird, bietet er dem Leben, also auch meinem Über-Leben, keine Zukunft und Zuflucht mehr.

Ich ignoriere die Tatsache, dass es eine Nahrungskette gibt, an deren Spitze ich zu stehen glaube. Wenn ich nun wissentlich oder unwissentlich diese Nahrungskette sabotiere, indem ich ihren Anfang zerstöre, mus ich mich nicht wundern, wenn Nahrung irgendwann knapp und teuer wird. Ich erlebe immer wieder katastrophale Hungersnöte auf der Erde. Zu einem Teil sind diese ‚einfach‘ einer ungerechten Verteilung von Lebensmitteln geschuldet. Und der vom Menschen gemachte Klimawandel wird zu einer deutlich wärmere Umwelt führen. „Eine wärmere Welt ist eine hungrigere Welt.“ (Kegel, 2021). Und eine hungrige Welt ist eine aggressive Welt (Hoimar von Ditfurth, 1988).

Neben der Versorgung mit Lebensmitteln ist und wird zunehmend die Versorgung der Menschheit mit Trinkwasser zum Problem werden. Mir ist bekannt, daß die Menge an Süßwasser auf dieser Welt begrenzt ist. (Worldbank.org, Unesco.org, The National Intelligence Council) Mache ich mir deshalb Sorgen? Kümmere ich mich darum, diesen Mangel, der in absehbarer Zukunft Millionen von Menschen betreffen wird, zu verhindern? Nein, tue ich nicht. Im Gegenteil: Getränkegrosskonzerne, wie Coca Cola pumpen Grundwasser fast umsonst in großem Stil, damit ich süße Brause trinke, fett und zuckersüchtig werde. Für die Herstellung von 1 kg Rindfleisch benötige ich ungefähr 15.000 l Wasser (Überwiegend Regenwasser) Hierdurch kann es bei intensiver Viehzucht je nach Weltregion zu Konkurrenzsituationen mit anderen Verbrauchern und zu Wasserstreß kommen.

Die großen Wasserspeicher, z.B. unter der Kornkammer der USA werden zunehmend entleert (Ogallala-Aquifer). Immer mehr Brunnen fördern das kostbare, aber begrenzte Element Süßwasser. Für meine fernen Nachfahren kann diese Zahl über das Überleben oder Nicht-Überleben entscheiden (ethz.ch). 

Klima und Wandel verleugnen?

Unsere so genannten Führungskräfte glauben immer noch, sie könnten mit der Physik und den Naturgesetzen verhandeln. Sie sprechen mit Blumen und Wäldern in der Sprache von US-Dollars und kurzfristiger Wirtschaftspolitik. Sie halten ihre Vierteljahresbilanzen hoch, um Wildtiere zu beeindrucken. Sie lesen den Meereswellen Börsenberichte vor wie Narren.“ (Thunberg, 2022).

Mein rabiates Eingreifen in die natürlichen Vorgänge und Regelkreise ist beispiellos brutal und beispiellos kurzsichtig. Millionen Jahre in der Erde gebundenes CO2 setze ich in Jahrzehnten frei und denke mir nichts dabei.

Das unablässig vorgetragene Mantra zur Bewältigung des vom Menschen-gemachten Klimawandel lautet: „Um die Klimaziele von Rio de Janeiro, Berlin, Genf, Kyoto, Buenes Aires, Bonn, Den Haag, Marrakesch, Neu-Delhi, Mailand, Nairobi, Bali, Posen, Kopenhagen, Cancun, Durban, Doha, Warschau, Lima, Paris, Marrakesch, Bonn, Katowice, Madrid, Glasgow, Scharm asch-Schaich, Dubai, Baku ff. einzuhalten, muss ich die Emissionen von CO2 drastisch reduzieren und CO2 aus der Atmosphäre entfernen.“ Denn mit jedem Zehntel Grad Erderwärmung treibe ich auf eine unbewohnbare Welt zu (Lynas, 2021).

Die ernüchternde und unumstrittene Wahrheit lautet ganz im Gegensatz dazu: Ich puste mehr und mehr CO2 in die Atmosphäre (Keeling Kurve) und ich habe bislang keine technisch einsetzbare, effiziente Technik zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre. Auch die unterirdischen Lagerstätten für das gesammelte CO2 sind bislang nur Theorie. Und dann sind da ja auch noch die anderen Treibhaus wirksamen Gase: Methan oder Lachgas zum Beispiel, die entfernt werden müssen. Ich nicht die geringste Ahnung, wie mir das gelingen soll (Global Carbon Projekt).

Ich lasse mir Gletschereis aus der Arktis mit einem immensen Aufwand an Energie liefern und konsumiere es als besonderes Geschmackserlebnis. Das Abschmelzen der Gletscher sollte mir große Sorgen machen. Nicht, weil ich bald kein Gletschereis mehr in meinem Whisky mischen kann. Es sollte mich beunruhigen, weil das strahlende Gesicht der Erde für immer verändert wird (Eis-Albedo-Rückkopplung).

Mir fehlt sowohl der Wille, die erforderlichen erneuerbaren Energien zu fördern. Ich möchte keine Windräder oder die erforderlichen Stromtrassen, beziehungsweise Stromspeicher, bauen. Noch will ich Energie einsparen. Im Gegenteil, ich finde täglich neue Möglichkeiten, mehr Energie zu verbrauchen (Kryptowährung, Cloud-Dienste, KI). Experten schätzen für KI Anwendungen in 2027 einen steigenden Verbauch von 134 Terawattstunden, das entspricht dem Energieverbrauch von ganz Schweden oder Norwegen. Auch der Verbrauch an Kühlwasser ist bei den oben genannten Anwendungen enorm und ein Problem für die weltweite Wasserwirtschaft. Das wiederum treibt den Klimawandel an und eine wärmere Welt benötigt mehr Energie (Int. Energieagentur, 2025)(Int. Energieagentur, 2024).

Kriege und das Militär sind eine gigantische Energie- und Ressourcenvergeudung (Klimakrise und globales Wettrüsten). Daraus entwickelt sich aber – was Sinn machen würde – keine weltweite Initiative gegen Krieg und Wettrüsten. Im Gegenteil, spätestens mit dem Angriff Rußlands auf die Ukraine hat ein beispielloses weltweites militärisches aber auch ideologisches Aufrüsten begonnen. Niemand will sich von der Siegerstraße vertreiben lassen (MEGA vs. MAGA). Es ist voraussehbar – ich kenne mich lange und gut genug – es wird einen erbitterten Kampf um die Verteilung der Ressourcen.

Noch dazu bin ich von der Komplexität der Klima- und Ökosysteme überfordert. Es gibt vielfältige Institutionen, die sich mit komplexen ökologischen Problemen beschäftigen und versuchen, diese der Öffentlichkeit bekannt zu machen und Lösungen zu erarbeiten (Sierra Club, 350.org, Bluegreen Alliance, Land Institut, Climate Transparency).

Eine Anzahl von Homo sapiens sapiens forscht über den Klimawandel (Geschichte der Klimaforschung). Diese Wissenschaftler*innen arbeiten an Lösungen für die menschengemachte Katastrophe. Mit fortschreitender Zeit wird eine Lösung aber immer schwieriger und die entstehenden Kosten steigen und steigen (Climate tipping points, Global-tipping-points.org). Die Kosten betreffen sowohl die Umgestaltung der aktuellen problematischen Energieversorgung, als auch die Folgen durch den Kimawandel verursachter Schäden. Aber leider ist eine größere Menge Homo sapiens sapiens dabei, den Klimawandel leugnen und ihn emsig voranzutreiben.

Ich denke und versuche mich damit zu beruhigen, dass die klimatischen Veränderungen nur langsam fortschreiten. Das mag so sein, und doch können einzelne Großschadensereignisse, die sich im Zuge des Wandels häufen, eine ganz neue unerfreuliche Dynamik in das Geschehen bringen. Wälder werden durch die steigenden Temperaturen geschwächt und durch meine verfehlte Waldbewirtschaftung (Monokulturen) anfällig gegenüber Klimaextremen, Sturmschäden, Feuer und Schädlingsbefall. Ein kranker Wald kann das umgebende lokale Klima nicht mehr positiv beeinflussen, den Wasserhaushalt langfristig sinnvoll regulieren und Biodiversität gewährleisten.

Weltweit brennen Wälder (Statista) in zunehmender Zahl und mit zunehmender Heftigkeit. Menschen sterben, Infrastruktur wird zerstört und riesige Areale von alten Waldbeständen werden vernichtet. Vorallem in Europa und Nordamerika ist dieser Trend deutlich (Spektrum.de, wwf.de). Dabei werden wiederum große Mengen an CO2 freigesetzt.

Ein sicheres Indiz dafür, dass es sich bei der Diskusion um die verheerenden Folgen des Klimawandels nicht um kleinliche akademische Streitereien handelt, mag ich an der Tatsache ablesen, dass die Versicherungswirtschaft im Blick auf die drohenden Schadensereignisse besorgt ist (Munic Re).

Ich sollte immer daran denken, dass ich nur diese eine Erde habe. All meiner technischen Fähigkeiten zum trotz bin ich nicht in der Lage, eine zweite Erde zu erschaffen. Und das würde auch gar nicht genügen, für Europa und den Bedarf von Nordamerika bräuchte ich mindestens noch eine weitere Erde.

Ich habe ganz vergessen, dass mein schönes Projekt Biosphäre 2 gescheitert ist. 1991 wurde in Arizona in den USA ein Gebäudekomplex erschaffen, der beweisen sollte, dass Homo sapiens sapiens ein sich selbst erhaltendes Ökosystem erschaffen und darin autark leben kann. Es hat aber nicht funktioniert. Das Experiment ist gescheitert. Nur zwei Jahre lang haben die acht Teilnehmer*innen in dem Gebäudekomplex vollständig abgeschottet gelebt. Dann mußte das Projekt zur Sicherheit der Insassen abgebrochen werden. Zu niedriger Sauerstoffgehalt, steigende CO2 Werte, Schädlingsbefall und Ernteausfälle waren nicht zu beherrschende Probleme. Von der zunehmend aggressiven Stimmung unter den menschlichen Bewohnern der Biosphäre und der Frage der Finanzierung ganz zu schweigen. Das Gebäude wird heute von der University of Arizona für wissenschaftliche Forschung und als Ausstellungsgelände genutzt (Seidler, 2019) (biosphere2.org).

Der Versuch der Biosphäre 2 hat eine bedenkenswerte Analogie in Bezug auf die Biosphäre 1, unsere real existierenden einzigen Erde: Die unerwünschte Vermehrung von Kleinstlebewesen. Viren und Bakterien werden uns auch in Zukunft existentiell bedrohen.

Aber auch wir Großen vermehren uns unangemessen schnell. Bald werden wir möglicherweise 10 Milliarden Menschen sein (Emmot, 2014). Bei Rattenpopulationen, die in einem definierten Gehege gehalten werden, mit allem versorgt, was sie brauchen, schlägt aufgrund der zunehmenden Zahl an Individuen, das friedliche Zusammenleben irgendwann in Stress und Aggression um (Kolbert, 2024). Das ist bei Homo sapiens sapiens vermutlich nicht anders.

Für Vielfalt Sorge tragen?

Bis heute ist es mir nicht gelungen, eine allgemein gültige Ethik im Umgang mit der Natur zu entwickeln, geschweige denn danach zu leben. Das fängt damit an, dass ich es strikt ablehne, ein Teil der Natur zu sein. Die Natur ist mir fremd, mein Angstgegner, mein nächtlicher Alptraum, den es zu besiegen und zu unterwerfen gilt. Wenn ich glaube, mit meiner Wissenschaft einen winzigen Bruchteil der Natur entschlüsselt zu haben, bin ich furchtbar stolz. Dann habe ich das sichere Gefühl, selbst der Schöpfer zu sein. Aber es gibt eine Ordnung oder auch Intelligenz, durch die alles geformt wurde und wird und deren Zusammenhänge, Ziele und Pläne mir völlig unbegreiflich sind.

Ich will nur ungern zugeben, dass auch meine tierischen Mitgeschöpfe eine Individualität, eine persönliche Intelligenz, Gefühle, wie Angst, Trauer oder Freude haben (Safina, 2017). Denn dann könnte ich einen lebenden Hummer nicht mehr in kochendes Wasser werfen oder könnte Tintenfische nicht an der Luft oder im Eis langsam ersticken lassen. Dann würde ich beim Nachdenken über Massentierhaltung in Tränen ausbrechen. Dann würde ich meine Milchkühe nicht mit ‚poultry litter‚ füttern, also also mit den Resten, die ich aus dem Geflügelstall auskehre: Kot, Streu, Futterreste, Federn.

Ich aber wähne mich als über der Natur stehend. Ich habe mir einen Gott geschaffen, der mich über meine Mitgeschöpfe erhebt. Und wer ethische Wertschätzung und Beachtung verdient, das entscheide ich, ich allein.

Ist aber der Homo sapiens sapiens wirklich der entscheidende ethische Maßstab? Oder sind es auch auch Tiere, Pflanzen oder unbelebte Materie: Ein Berg, ein Ozean? Vielleicht verdient der ganze Planet Erde und der Kosmos ethische Wertschätzung (Gorke, 2019).

Wenn ich in solchen Dimensionen denken soll, wird mir ganz schwindelig. Ich fühle mich ganz winzig und unbedeutend. Das kann ich nicht akzeptieren. Ich verweigere mich dieser Erkenntnis. Ich sollte akzeptieren, dass ich nur der vorläufige Endpunkt einer evolutionären Reihe bin. Die Evolution nach den Erkenntnissen von Wallace und Darwin halten auch heute noch viele Homo sapiens sapiens für nicht bewiesen. Sie glauben lieber an das intelligente Design eines göttlichen Schöpfers (natürlich männlich!), dem mit der Erschaffung des Homo sapiens sapiens sein Geniestreich gelungen ist (Kreationismus).

Die Evolution vollzieht sich in Milliarden von Jahren. Das Handeln von Homo sapiens sapiens und Kollegen in lächerlichen Zehntausenden von Jahren. Das ist ein krasses Missverhältnis. Und es wird noch sehr viel deutlicher bei meinem persönlichen Erleben. Mein subjektives Dasein ist auf die Gegenwart begrenzt. Meine Mitgeschöpfe, die bedrohten Arten, die mit mir leben, können nicht erwarten, dass ich auf ihre Belange Rücksicht nehme. Ich kenne ihre Belange gar nicht. Wie soll ich dann Rücksicht nehmen? Relativ gleichgültig beobachte ich den rapiden Rückgang der Biodiversität.

Ich bin der Verursacher des sechsten großen Artensterbens (Kolbert, 2016). Ich mache den globalen Totengräber. Das ist eine Tatsache und dieses globale Endzeitereignis wird auch mich betreffen. Als Individuum werde ich aber nicht alt genug, um in den zeitlichen Dimensionen dieser Welt und der Natur zu denken. Und die Erfahrungen vergangener Epochen und versunkener Zivilisationen sind mir allenfalls bruchstükhaft zugänglich (Gräber, Wengrow, 2022).

Ich reduziere durch mein Handeln direkt und auch indirekt die Biodiversität der Welt. Ich erschaffe riesige Monopopulationen von Lebewesen, die meinem wirtschaftlichen Streben den größten Nutzen bringen. Damit mache ich mich in unvernünftigerweise Art und Weise vom Überleben und Wohlergehen weniger Tier- und Pflanzenarten abhängig. Meine Mitgeschöpfe sehe ich primär als Wirtschaftsgüter, die es gewinnbringend zu verwerten gilt. Sie sind mein Besitz. Ich fragmentiere und beute den Planeten aus. Allein durch die Fragmentation zerstöre ich die Funktionalität der Ökosysteme (Wissenschaft.de, cordis.europa.eu).

Wunderbar und bequem lebe ich in meiner ersten Welt und Wegwerfgesellschaft. Die langfristigen Kosten meines Verhaltens könnte ich berechnen, aber wozu sollte ich das tun? Ändern möchte ich es nicht, ich kann es gar nicht. Keiner, wirklich keiner, am allerwenigsten ich, will den Gedanken aussprechen:

Wir können nicht so weitermachen. Aber wir werden es tun.

„Was soll ich denn für die Nachwelt tun, die hat ja auch für mich nichts getan.“ (Fischer, 2011).

Um das Wohlergehen meiner Kinder kümmere ich mich, aber schon das Wohlergehen meiner Enkelkinder übersteigt schon meine Kräfte. Das Wohlergehen künftiger Generationen ist mir völlig gleichgültig. Noch weniger kümmere ich mich um das Wohlergehen von Millionen Homo sapiens sapiens auf anderen Kontinenten. Jahrzehnt um Jahrzehnt sehe ich Bilder von kranken und hungernden Menschen in fernen Ländern. Bevorzugt zu Feiertagen und bei besonders schrecklichen Katastrophen schicke ich eine Spende. Den Rest des Jahres halte ich mir das Leid dieser Menschen so gut es geht vom Leib. Und meine Methoden werden dazu werden immer brutaler, die Grenzen, Zäune und Mauern immer höher (Brown, 2018).

Wofür das Alles?

Ich lasse mich permanent unter Druck setzen, jederzeit alles kaufen zu können. Der Online-Handel verführt mich mit einem Klick. Und ich lasse es zu. Ich bin süchtig, im Kaufrausch. Der Konsum wird als Motor der Wirtschaft verstanden. Es gibt die unausgesprochene Grundannahme, dass steigende Wirtschaftsleistung positiv sei (Fraser, 2023). Und prosperieren kann die Wirtschaft nur, wenn ich mich brav im Hamsterrad des Konsums bewege. Meiner vielen „Spielsachen“ werde ich bald überdrüssig und werfe sie weg (Klein, 2016).

Wer glaubt, exponentielles Wachstum könne in einer endlichen Welt unendlich weitergehen, ist entweder wahnsinnig oder Ökonom.“ (Kenneth E. Boulding). Unser Wirtschaftssystem ist ein Kettenbrief. Ich kann nur hoffen, dass zu meinen Lebzeiten die Kette nicht reißt.

Erschrocken und ungläubig sehe ich von der ersten Welt aus, wie meine Mitmenschen in den Kontinenten des globalen Südens mit einfachsten Mittel, mit Feuer und bloßen Händen meinen Elektromüll recyclen. Weil das ihr Überleben sichert. Dieser Ort in der Millionenstadt Accra in Ghana hat einen Namen: Sodom oder „toxic city“ (Welcome to Sodom).

Passt das mit einem sorgsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen zusammen?  Sorry, keine Zeit: Ich muss shoppen, streamen, tindern, facebooken, tweeten, liken, googlen. Irgendwann werde ich als Avatar im Metaversum einkaufen gehen und nicht existente Dinge erwerben. Mich umgibt ein Kosmos von Ablenkungen, die ich nur zu gern ergreife: Mein globales ADHS.

Eigentlich weiß ich, dass ab einem bestimmten Niveau wachsender Wohlstand nicht glücklicher macht. (Easterlin Paradox). Wenn die Grundbedürfnisse befriedigt sind, kann mein Wohlbefinden durch zusätzliche Konsumgütern nicht mehr gsteigert werden. Im Gegenteil: Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem zusätzlicher Besitz nur Sorgen, aber keine Freude macht. Deshalb habe ich darüber geforscht, wie Wohlstand und sozialer Fortschritt gemeinsam erreicht werden könnten (Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission). Aber die Empfehlungen wurden nicht beachtet. Vernunft sieht anders aus.

Es gibt eine eindeutige Korrelation zwischen der Wirtschaftsleistung und der Kohlendioxidemission. Und wenn ich Wirtschaftswachstum für dringend erforderlich halte, sozusagen als Grundlage der Weltgesundheit, dann sollte ich mich dringend wenigstens um alternative, erneuerbare Energien bemühen. Der wachsende Energieverbrauch muß befriedigt werden, sonst gehen mir irgendwann die Lichter aus. ( Holler, Gaukel, Lesch, 2021).

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich heimlich und nahezu unbemerkt eine besonders bösartige Variante des Kapitalismus etabliert: Der Neoliberalismus. Er schöpft seine destruktive Kraft aus sozialen Umwälzungen und politischer Instabilität. Er fördert diese aktiv und erzeugt bei mir Angst und Verunsicherung. In Zeiten der Unsicherheit bin ich sogar bereit auf Menschenrechte, wie Meinungsfreiheit, zu verzichten (Klein,2023). Es ist die Zeit der Populisten, der Dealmaker.

An einer zukunftsorientierten Politik, die Umwelt, Biodiversität und Wohlergehen künftiger Generationen fördert, besteht keinerlei Interesse. Es ist eine toxische Beziehung zwischen der fossil-postkolonialistischen-patriachalischen Ausbeutung der Welt durch den globalen Norden und dem rapide fortschreitenden Klimawandel (Otto, 2023). Im kapitalistischen und extraktvistischen System werde ich für den Umweltschutz und Klimawandel niemals eine langfristige und stabile Lösung finden. (Fraser, 2023). Denn technische Lösungen allein, sind nicht der heilige Gral (Rösch, 2019).

Die Macht sei mit dir“ ist ein sinnleerer, pseudo-mysthischer Spruch aus einer futuristischen Heldensaga. Ich glaube weiter fest daran, dass die Welt mich braucht, um sie besser zu machen.

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